Nachgedacht: In der Mitte des Jahres

Die längsten Tage des Jahres liegen vor uns und wir freuen uns hoffentlich über schönes Wetter und lange, warme Sommerabende, an denen man die Seele baumeln und den Gedanken freien Lauf lassen kann.

In diese Zeit fällt auch der Johannistag – sechs Monate nach Weihnachten. Johannes der Täufer war ein eigenartiger Mensch. In der Bibel steht, dass Johannes Kleidung aus Kamelhaaren trug und sich von Heuschrecken und wildem Honig ernährte (Markus 1,6), aber auch, dass er konsequent auf Jesus hingewiesen hat. In seiner Sprache war Johannes recht derb (genau wie sein Äußeres). So titulierte er auch mal die Leute, die sich nicht an die biblische Lebensweise hielten, mit „Otterngezücht“ (Lukas 3,7).

Was würde Johannes wohl heute sagen, wenn er unsere Welt sehen würde? Obwohl damals seine Lebensweise, seine Art zu predigen und sein Lebensstil recht eigenartig waren, kamen trotzdem immer wieder Menschen zu ihm und ließen sich von den mitreißenden biblischen Reden inspirieren, und viele entschieden sich danach für die Taufe. Auch Jesus kam zu Johannes und ließ sich im Jordan taufen (Markus 1,9).

Als ich bei einer Israelreise an der Taufstelle El Maqtas am Jordan (in der Nähe von Jericho) stand, war dies ein eigenartiges Gefühl, und mir kamen Gedanken, wie es damals vor 2000 Jahren wohl gewesen sein muss, als der Heilige Geist in Form einer Taube herab kam und Gott sprach: „Du bist mein geliebter Sohn, an Dir habe ich Wohlgefallen“ (Markus 1,11). War es eine stille Begebenheit, die keiner groß mitbekommen hat, oder war es ein Event, wo es lautstark zuging und alle mitgefeiert haben? In der Bibel steht nichts dazu.

Vielleicht brauchen wir heute in unserer Kirche auch wieder Leute wie Johannes, die zur Umkehr rufen, damit die Menschen wieder zu Gott finden und die Gotteshäuser nicht immer leerer werden. Heute füllen sich die Kirchen leider nur noch zu Weihnachten und wenn irgendwelche tragischen Unglücke passieren und die Menschen nicht weiterwissen und kurzfristig nach einem Halt suchen. Aber das sind meist nur temporäre Erscheinungen und Gott rückt danach wieder in den Hintergrund.

Ich wünsche Ihnen allen eine gesegnete Sommerzeit, und vielleicht finden Sie auch einmal Zeit, über alles nachzudenken, was unsere Kirche tun kann, um den Abwärtstrend zu stoppen.

Ihr Gunar Berghänel

 


Foto: privat