Nachgedacht: Erinnerungen - Angst - Hoffnung

Das Titelbild zeigt diesmal ein Straßenbild. Es stammt aus Lemberg – oder Lviv. Damals war Sommer, heiße sonnige Tage, viel Leben auf den Straßen, jede Menge Menschen unterwegs, vor allem junge, eine heitere gelassene Stimmung. Heute scheint es, als wäre das eine Erinnerung aus einem sehr fernen, ganz anderen Leben. Aber es ist erst dreieinhalb Jahre her, Juni 2019.

Die Nachrichten, die wir jetzt aus der Ukraine hören, sehen oder lesen, sind erschreckend. Das, was geschildert wird, übersteigt meine Vorstellungskraft. Oft bemerke ich eine innere Weigerung bei mir, noch weiter hinzusehen oder hinzuhören. Aber das verbiete ich mir. Auch wenn es Angst macht. Das müssen wir aushalten.

Dann am ersten Advent 2022 eine unerwartete Begegnung in der Petrikirche. Junge Musiker aus Lviv spielen für uns im Gottesdienst. Und wie sie spielen! Als wäre zu Hause alles in Ordnung. Als gäbe es keinen Krieg, keine Bombeneinschläge, keine Stromausfälle. Unfassbar – und sehr berührend. Ein für mich unerwartetes Hoffnungszeichen, dass sie das so können.

Erinnerungen sind wieder da, und ich krame mein Reisetagebuch hervor. Da ist von den leckeren hausgemachten Limonaden die Rede, die es überall in den Straßencafes gab, wir waren in vielen Kirchen und in der Oper (s. Foto von mir im Kreis), sahen Brautpaare auf den Straßen und alte Frauen, die das wenige, das ihr Garten hergab, zu verkaufen versuchten, um ihre Rente aufzubessern. Und die kostenlose Stadtführung mit den Lviv Buddies (einer engagierten Truppe junger Leute, die Touristen herumführten und hinterher einen Hut herum gehen ließen, jeder gab, was er konnte und wollte). Sie erzählten vom jüdischen Leben, das früher in Lemberg so ausgeprägt war, und zeigten auch die Wunden der Stadt her – den Sammelplatz für die Deportationen der Juden oder was im 2. Weltkrieg zerstört wurde.

Ich dachte damals: gut, dass all der Schrecken vorbei ist, und hätte mir nie träumen lassen, dass schon wenig später wieder Krieg herrscht. Vielleicht ist die Straße, sind die Häuser auf dem Bild auch schon von Einschlägen gezeichnet. Und vielleicht fährt die gelbe Straßenbahn inzwischen nicht mehr – weil kein Strom.

Immer wieder ermahne ich mich, mit dem Hinhören, Hinsehen nicht aufzuhören. Die Menschen dort verdienen unsere Aufmerksamkeit für ihr Leben, ihr Schicksal. Und sie brauchen unsere Hilfe. Ich vermag es nicht, mir Lviv vorzustellen als eine Stadt in völliger Dunkelheit und ohne Menschen auf der Straße. Deswegen kam mir der Spenden-Aufruf „Licht und Wärme für Lviv“ gerade recht. Bitte lesen Sie mehr dazu auf Seite 24 und werden Sie nicht müde, um Frieden zu beten, zu helfen, auch wenn es nur wenig zu sein scheint - und verlieren Sie die Hoffnung nicht, egal wie lange es dauert.

Elsemarie Schaarschmidt


Fotos: E. Schaarschmidt

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