Nachgedacht Februar / März 2022

Zürnt ihr, so sündigt nicht;
lasst die Sonne nicht über eurem Zorn
untergehen. (Epheser 4,26)

Liebe Gemeindeglieder! 

Zürnen, zornig sein, voller Ärger über jemanden, der mir übel mitgespielt hat, der mich hintergangen und enttäuscht hat – diese Erfahrung haben wir alle schon mal gemacht. Und dann lassen wir uns nur allzu gern hinreißen, es dem anderen heimzuzahlen. Und manchmal steigern wir uns dabei regelrecht in unseren Zorn hinein.

Gleichzeitig merken wir, dass uns das nicht guttut; dass uns Wut und Ärger regelrecht auffressen können. Und wir spüren insgeheim, dass es uns besser ginge, wenn wir demjenigen, der uns übel mitgespielt hat, vergeben könnten. Doch das ist gar nicht so leicht. Denn wir müssen dabei Bösem, das uns widerfährt, Gutes entgegensetzen – wie es die folgende Geschichte aus der Feder des großen jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber erzählt:

„Mosche Löbs Vater war ein heftiger Gegner des chassidischen Wegs [einer jüdischen Schulrichtung]. Als er erfuhr, dass Mosche Löb ohne sein Vorwissen das Haus verlassen und sich nach Ni­kols­burg ins Lehrhaus des Rabbi Schmelke begeben hatte, entbrannte sein Zorn.

Er schnitt sich eine scharfe Rute und stellte sie in seine Stube für die Heimkehr des Sohns bereit. Sooft er an einem Baum einen geeigneten Zweig sah, schnitt er eine neue Rute, die ihn wirksamer dünkte, und warf die alte weg. Viel Zeit verging, viele Ruten lösten einander ab. Als der Diener einmal das Haus gründlich säuberte und in Ordnung brachte, tat er die Rute in eine Dachkammer. Bald darauf kam Mosche Löb, der sich bei seinem Lehrer einen kurzen Urlaub ausgebeten hatte, nach Haus. Als er den Vater bei seinem Anblick wütend aufstehen und herumsuchen sah, ging er geradenwegs in die Dachkammer, holte die Rute und legte sie vor den Alten hin. Der sah ihm bezwungen in das ernste und liebevolle Gesicht.“ 

So wurde der wütende Vater durch seinen Sohn in die Lage versetzt, von seinem Zorn Abstand zu nehmen und dem Sohn zu vergeben – und dies brachte sie einander näher. In diesem Sinne mahnt uns der Spruch für den Monat Februar, unserem Zorn nicht freien Lauf zu lassen, sondern vor Sonnenuntergang, also noch am selben Tage, ein Zerwürfnis mit einem Mitmenschen wieder ins Reine zu bringen. Du vergibst dir nichts dabei, wenn du einem anderen vergibst – denn Vergebung ist etwas, was das Leben von Menschen reich macht.

Frank Manneschmidt